Vor der Haustür angekommen, holte ich den Hund aus dem Auto … unsere Tochter kam durch die Haustür geschossen, nahm mir Fynja ab … erklärte: „Ich nehm denn jetzt mal Fynja mit und du kannst dann in einer Minute hinterher kommen.“ Eine Nachbarin fuhr mit ihrem Hund am Fahrrad vorbei, fragte mich wie es mir geht: „Das weiß ich noch nicht„, erklärte ich und ging zum Haus. Im Flur, an einen sechs´er Träger Wassersprudel gelehnt, stand ein großer Briefumschlag in der Größe eines großen Bilderrahmens, darauf stand handgeschrieben, und in blauer Schrift: Das Symbol für verloren gegangene über 40Jahre Glück – und Geburtstagswünsche. Mir wurde heiß und kalt zugleich, ich traute mich gar nicht noch einen Schritt weiter ins Haus zu gehen, unser Sohn und seine Verlobte standen mittig im Wohnzimmer, so, dass sie direkt zur Tür blicken konnten, durch die ich ja nun gehen musste. Das tat ich, ganz, ganz vorsichtig, zögernd, unsicher, was ich als nächstes tun, denken, sagen sollte, könnte, tun würde.
Und dann stand ich das aller erste mal in meinem Leben meiner viertältesten Schwester Petra gegenüber!
Wir sahen uns an … fielen uns in die Arme, haben geheult wie die Schlosshunde und ich hab sie als erstes gefragt, so was völlig globales gefragt, wie sie denn hierher gekommen sei. Mit dem Zug. Ich konnte es nicht glauben … und kann es eigentlich immer noch nicht … vor allem ich konnte von Anfang an völlig nüchtern darüber reden … es war ganz komisch! Ich fühlte mich in dem Augenblick ein bisschen wie ein Schwamm, der alles aufnimmt … aber noch völlig unfähig ist überhaupt auch nur irgendwas von dem was da grad so passiert wirklich zu verarbeiten. … Meine Schwester war von Mittwoch bis Sonntag bei uns … hat auf dem Sofa im Wohnzimmer gepennt. Ich wollte ihr das Zimmer von unserem Sohn herrichten, aber das wollte sie gar nicht, weil sie nachts oft rum geistert (ja das habe ich gründlichst gemerkt: abgehängte Bilder, durch die Gegend geschleppte Toilettenbürsten, Handtücher, von Punkt A zu Punkt B, offen stehende Kellertüren …) und unbedingt nen Fernseher braucht.
Am nächsten Mittag haben wir zusammen beim Essen gehockt, als sie plötzlich in schallendes Gelächter ausgebrochen ist. Vorsichtig fragte ich nach, warum? „Ja, schau doch mal.“ sagte sie, „wie ich die Gabel halte und wie du das machst!“ Ein Blick genügte, völlig identisch! Leider war es ja soooooo irre warm, dass wir nicht mal was unternehmen konnten, aber es war ne irre schöne, Zeit. …